Putsch im Tschad abgewendet

Knapp vorbei ist auch daneben



Wie so oft verflucht knapp entkam Tschads Präsident seinem Sturz. Eine Machtübernahme der Rebellen hätte das AUS für die internationale Schutztruppe für die Darfur-Flüchtlinge bedeutet und die Region weiter destabilisiert.



Nun endlich beginnt die Europäische Union, eine multinationale Schutztruppe (EUFOR) mit 3.700 Mann in den Tschad zu entsenden, um die Flüchtlingslager der aus dem Sudan geflohenen Bürgerkriegsopfer zu sichern. Denn ihre Feinde im dem Sudan, die gefürchteten Djanjawid-Milizen, überqueren selbst die Grenze in den Tschad, um diese Leute in den Lagern zu töten. Die tschadische Armee ist gegen diese Angriffe fast machtlos, da sie in der Region selbst schwer gegen einheimische Rebellen zu kämpfen hat.
Und genau diese Rebellen werden vom Sudan unterstützt und haben auch ihre Rückzugsbasen im Nachbarland. Die Stationierung einer europäischen Schutztruppe würde die Grenze weniger durchlässig machen und so die Nachschubwege für die Rebellen austrocknen.

Deshalb versuchten Anfang Februar drei der Rebellenbewegungen, die Union der Kräfte für Demokratie und Entwicklung (UFDD), die Sammlung der Kräfte für den Wandel (RFC) und die Splittergruppe UFDD-Fondamentale, die sich alle drei einen gemeinsamen Militärstab gegeben haben, in einem gewaltigen Kraftakt, die tschadische Regierung des Präsidenten Idriss Déby noch vor der Ankunft der EUFOR-Truppe in der Hauptstadt N´Djamena zu stürzen. Ungefähr 4.500 Rebellen rasten mit ca. 300 Fahrzeugen quer durch den riesigen Wüstenstaat, um die Regierungstruppen in einem Überraschungsangriff zu überrumpeln.

Staatspräsident Idriss Déby hat zahlreiche Putsche und Anschläge überstanden und gilt als das größte militärische Genie, das je in einem afrikanischen Präsidentensessel gesessen hat, was wohl auch der Grund sein dürfte, warum er noch an der Macht und am Leben ist. Politisch ist seine Bilanz aber eher traurig. Aus dem umjubelten siegreichen Kriegsherren, der 1990 den Diktator Hissen Habré vertrieb und der erste frei und demokratisch gewählte Präsident des Tschad wurde, ist ein von Rebellen und eifersüchtigen Günstlingen Getriebener geworden, der nicht von der Macht lassen kann. In den 90iger Jahren hingegen, als Déby Oppositionsparteien und eine freie Presse zuließ und er ehrgeizige Entwicklungsprogramme entwarf (so sollte die Wüste mit Baumpflanzaktionen zurückgedrängt werden und der Tschad mittels Erdölförderung von der Liste der allerärmsten Staaten verschwinden) applaudierte ihm nicht nur der Westen.

Die Rebellen durchbrachen am 1. Februar mit ihrem riesigen Konvoi den Verteidigungsring der Regierungstruppen, die sich ihnen mit Déby als Feldkommandant an der Spitze in den Weg gestellt hatten und drangen in die Hauptstadt ein. Mehrtägige Kämpfe in der Hauptstadt setzten ein. Déby floh in seinen Palast, in dem er sich verbarrikadierte. Alle Versuche seiner französischen Gönner, ihn zu überreden, sich ausfliegen zu lassen, tat er mit der Bemerkung ab, er leite schließlich die Verteidigung, obwohl die Rebellen schon wenige hundert Meter vor den Präsidentenpalast gerückt waren.
Der Westen und die internationale Presse hatten Déby schon abgeschrieben, einige verbreiteten Gerüchte über seinen Tod, als die Rebellen sich plötzlich aus der Hauptstadt zurückzogen. Ihnen war schlicht und ergreifend die Munition ausgegangen, während Débys neu erworbene russische Kampfhubschrauber über 100 Rebellenfahrzeuge in Brand geschossen hatten.

Zwar ist die tschadische Regierung extrem geschwächt, viele ihrer Soldaten sind während der Kämpfe desertiert, einige Minister haben sich abgesetzt und die Rebellen sammeln sich in der zentral gelegenen, strategisch wichtigen Stadt Mongo, dennoch nun kann die Stationierung der EUFOR beginnen.

Die Rebellen werden zunächst keinen Angriff mehr auf die Hauptstadt wagen, da Frankreich angekündigt, die „gewählte Regierung“ zu verteidigen und der UN-Sicherheitsrat Paris dafür auch ein Mandat erteilt hat. Zudem haben Soldaten der in Darfur kämpfenden Rebellenbewegung JEM die Grenze überschritten, um Déby mit ihren Truppen beizustehen.

Die Rebellen erklärten in der Tat eine Feuerpause und zeigten sich bereit zu Verhandlungen. Bleibt zu hoffen, daß die Regierung in N´Djamena diese ausgestreckte Hand ergreift und nicht versucht, diese Angelegenheit mit den Franzosen im Rücken militärisch zu Ende zu bringen. Als Déby 1990 die Macht übernahm beendete er den Bürgerkrieg, in dem er eine Nationalkonferenz ausrief und die widerstreitenden Gruppen an den Verhandlungstisch brachte. Es wäre gut, wenn er sich dieser Zeiten erinnern würde, denn nationale Versöhnung und Frieden – das ist das, was der Tschad am meisten braucht!



Kay Hanisch