Chinesische Afrikapolitik

Das (chinesische) Imperium schlägt zurück

Wie das unheilvolle Engagement Chinas drei afrikanische Bürgerkriege zur Eskalation bringt.

China ist eine gewaltige aufstrebende Volkswirtschaft. Entsprechend groß ist auch sein Hunger an Rohstoffen wie Erdöl, Coltanerz, Kupfer etc. Das wegen seiner Brutalität weitgehend geächtete islamistische Militärregime des sudanesischen Diktators Omar al-Bashir ist da ein wichtiger Verbündeter für das Reich der Mitte, da der Sudan über das heißbegehrte Erdöl verfügt. Nachdem die sudanesische Regierung über 20 Jahre einen Bürgerkrieg gegen den schwarzafrikanischen Bevölkerungsteil im Süden des Landes geführt hatte, steht nun in der westlichen Sudanprovinz Darfur ethnischer Terror regierungstreuer Reitermilizen auf der Tagesordnung. Dort rebellieren neben den Völkern der Fur und der Masalit auch die Zaghawa, ein Volk, dass auch im Tschad lebt und dem der tschadische Präsident Idriss Déby angehört. Der seit 1990 regierende Déby, von seinen französischen Gönnern gern als „Wüstencowboy“ bezeichnet, gilt als gewiefter Stratege, hielt sich auch im Dafurkonflikt mit zu heftiger Parteinahme für die sudanesischen Zaghawa zurück und bemühte sich um Vermittlung. Doch der Druck vieler hoher Zaghawa-Militärs die von Déby forderten, ihren „Brüdern“ im Sudan beizustehen, wuchs. Damit sich der Präsident des Tschad dennoch nicht einfallen lassen sollte, die Rebellen in Darfur zu unterstützen, ersann Omar al-Bashir einen Plan: er unterstützte mehrere Rebellengruppen (u.a. die „Vereinigte Front für den Wechsel“ – FUC), um so Druck auf die tschadische Regierung auszuüben. Doch damit erreichte er genau das Gegenteil! Idriss Déby rüstete nun seinerseits offen die Rebellen in Darfur auf. Ein Teufelskreis! Aus der Krisenprovinz waren inzwischen über 200.000 Flüchtlinge in den Tschad gekommen und campierten dort in Lagern.

Weitere 200.000 Menschen sind in Darfur durch die regierungstreuen Djanjawid- Milizen umgekommen, über 2 Mio. wurden vertrieben. Eine Verurteilung des sudanesischen Regimes im Weltsicherheitsrat hat bisher die chinesische Schutzmacht verhindert. Sie unterstützt die Regierung in Khartum mit Geld und Waffen und politisch in der UNO, im Gegenzug erhält sie „ihr“ Erdöl. Dafür nimmt China billigend in Kauf, dass der sudanesische Bürgerkrieg auch in den Tschad exportiert wurde. Im Gegenteil, China profitierte noch davon, denn Idriss Déby war einer der wichtigsten Verbündeten von Taiwan, für dessen Aufnahme in internationale Organisationen er oft geworben hatte. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sich Taiwan in die tschadische Ölindustrie eingekauft.
Im Sommer 2006 änderte Déby seine Taktik. Er erkannte die Volksrepublik als einziges China an und brach die Beziehungen zu Taiwan ab. Unter libyscher Vermittlung kam es sogar zu einem Treffen der Präsidenten des Sudan und des Tschad, auf dem sie erklärten keine Rebellen in den jeweils anderen Staaten zu unterstützen. Bei der Erklärung ist es geblieben, denn beide Seiten machen munter weiter mit der gegenseitigen Destabilisierung. Der Tschad hat diesen Konflikt allerdings nicht angefangen. Auch die verbesserten Beziehungen zu China brachten dem Land nichts.

Inzwischen ist auch die mit dem Tschad verbündete Zentralafrikanische Republik (ZAR) als dritter Staat in den Konflikt hineingezogen worden. Dort kämpfen meuternde Soldaten und Rebellen mit sudanesischer Unterstützung gegen die Regierung des Präsidenten Francois Bozize. Der ist zwar inzwischen demokratisch gewählt, kam aber 2003 mit Débys Hilfe durch einen Militärputsch an die Macht. Auch nutzen die regierungstreuen Djanjawid-Milizen aus dem Sudan und die tschadischen Rebellen die Schwäche der ZAR-Armee aus und überschreiten häufig die Grenze zur Zentralafrikanischen Republik.

Was hat das Ganze nun mit China zu tun? Die Volksrepublik gibt dem Regime Sudans wie gesagt, politischen Geleitschutz in UNO und Weltsicherheitsrat. Dadurch waren Sanktionen gegen das Regime bisher nicht möglich. Der Sudan agiert als „subversiver“ Staat unter Chinas Protektion und destabilisiert die Nachbarländer.



Weder der Tschad noch die ZAR gelten als Musterbeispiele von Demokratie. Es gibt aber in beiden Staaten Mehrparteiensysteme, unabhängige Zeitungen und eine Zivilgesellschaft. Im Fall des Tschad kann das Regime Déby jedoch wohl als das moderateste bezeichnet werden, dass dieses von Bürgerkrieg und Diktatur geschundene Land seit der Unabhängigkeit erlebt hat. Die Rebellen eint heute nur der schnelle Wunsch nach der Beendigung der Herrschaft Débys und seiner Patriotischen Heilsbewegung (MPS). Doch die politisch und ethnisch zerstrittenen Rebellenallianzen werden sich nach dem Sturz des Wüstencowboys sehr bald gegenseitig an die Kehle springen. Der Tschad droht sich dann in ein zweites Somalia zu verwandeln. Dort gibt es keine Zentralgewalt, es herrschen rivalisierende Kriegsfürsten und Milizen. Diese Gefahr hat auch Frankreich erkannt.

Mittlerweile greifen in Tschad und ZAR stationierte französische Truppen auf Seiten der regulären Regierungen offen in die Kämpfe ein. Natürlich sind dahinter ebenfalls hegemoniale Absichten verborgen, denn die beiden Regierungen gelten als Verbündete der Franzosen.
Ein Machtvakuum nach dem Regierungssturz würden der Sudan bzw. die von ihm unterstützten Djanjawid-Milizen nutzen, um tiefer in den Tschad vorzustoßen und um die dorthin geflohenen Bürgerkriegsopfer aus Darfur zu töten. Schon jetzt operieren diese Milizen z.T. im Tschad, doch noch stellen sich ihnen Regierungstruppen und französische Kräfte in den Weg.

Nicht nur der jahrzehntelange ethnische Terror gegenüber der eigenen Bevölkerung ist es, für den man das Regime Omar al-Bashirs verantwortlich machen kann, sondern ebenso gefährlich ist die destabilisierende Politik dieses Landes nach außen. So wurde auch jahrelang die in Uganda kämpfende „Widerstandsarmee des Herren“ (LRA), eine fanatisch-christlich-animistische Bewegung, die sich zwangsrekrutierter Kindersoldaten bediente, unterstützt.
Die Volksrepublik nimmt den von Darfur ausgehenden Völkermord also billigend in Kauf, solange der Sudan Pekings Afrikapolitik unterstützt.

Eine direkte Verantwortung kann man China nur bedingt zuweisen. Allerdings ist es mit der Auswahl seiner Verbündeten noch weniger wählerisch als man das von den westlichen Staaten ohnehin schon kennt. China legt auch keinen Wert auf eine gewisse formale Einhaltung von Menschenrechten, weshalb es bei vielen autoritären Herrschern in Afrika äußerst willkommen ist. Die Chinesen pflegen zu sagen, dass sie sich nicht in „die inneren Angelegenheiten anderer Staaten“ einmischen. Die Realität sieht aber anders aus. Wer den Tschad regiert, hat auch das Sagen über die Erdölquellen von Doba. Das dort derzeit US-Amerikanische, malaysische und taiwanesische Konzerne und Geschäftsleute die Nase vorn haben, ärgert Peking natürlich. Ein Regimewechsel käme der chinesischen Politik gelegen und der Sudan ist ein williger Brückenkopf. Derzeit erfahren der Tschad und die ZAR, was China unter einer „Nichteinmischung“ versteht: nämlich das Gleiche wie die USA und andere Großmächte – solange die Entwicklungsländer ihre Rohstoffe günstig und willig feilbieten und sich der Politik dieser Mächte unterordnen ist alles in Butter. Aber wehe, man fügt sich den Wünschen der internatonalen Hochfinanz und den Großmächten nicht, dann ist es vorbei mit der „Nichteinmischung“.

Es wird Zeit für eine Politik der Aufrichtigkeit zwischen den mächtigen Nationen von West und Ost und den armen Staaten des Südens. Die klassische Hegemonialpolitik mit Marionettenregierungen, Stellvertreterkriegen, Interventionen und wirtschaftlicher Erpressung kann sich im 21. Jahrhundert nicht mehr fortsetzen! Gegenseitiger Respekt und Toleranz sind die Voraussetzung dafür, dass Konflikte in Zukunft eher am Verhandlungstisch als mit der Waffe gelöst werden.



In Simbabwe ist China zu einer wichtigen Stütze des alterstarrsinnigen und immer repressiveren Diktators Robert Mugabe geworden. Noch sind die Chinesen gefragt in den meisten Ländern Afrikas. Ob dies von Dauer ist wird sich zeigen, denn auch die chinesische Afrikapolitik ist eine quasikoloniale.

Derzeit gewährt China vielen afrikanischen Staaten Kredite. Auf diese Weise laufen aber die Entschuldungsinitiativen der Weltbank und der westlichen Länder ins Leere. Die afrikanischen Nationen kommen wieder nicht aus der Schuldenfalle heraus, ihr weniges selbst erwirtschaftetes Geld geben sie wieder nur zur Schuldentilgung statt zur eigenen Entwicklung aus. Sie sind genauso wie zuvor von Kreditgebern abhängig, nur jetzt nicht mehr von westlichen, sondern von östlichen.
Bereits heute führen die massenhaften chinesischen Billigimporte dazu, dass in einigen afrikanischen Staaten adäquate Produkte nicht mehr produziert werden – ein gewaltiges Hemmnis in Sachen Entwicklung!

In Sambia, wo Afrikaner für Hungerlöhne unter miesen Sicherheitsvorkehrungen in den chinesischen Minen schuften müssen, belegte im letzten Jahr Michael Sata, der Kandidat der Patriotischen Front (PF) bei den Präsidentschaftswahlen mit 29,37% den zweiten Platz. Es war vor allem die Wut auf die Chinesen, die den Außenseiter und seine einstige Splitterpartei hatten so groß werden lassen.
Sata hatte angekündigt, im Falle seines Sieges die Chinesen aus dem Land zu werfen und Taiwan anzuerkennen.





Kay Hanisch