Sieg für Sankaras Henker

Herrscher über das Land der Aufrichtigen

25.11.2005. Während die Welt auf die Präsidentenwahl in Liberia schaut, wurde ebenfalls in Westafrika eine weitere Präsidentenwahl - weitgehend unbemerkt von den Massenmedien – durchgeführt.
In Burkina Faso siegte ein Mann, der das Präsidentenamt nur innehat, weil er 1987 seinen Amtsvorgänger und einen seiner besten Freunde in einem blutigen Putsch beseitigen ließ.
Blaise Compaoré wurde am 13.11.2005 mit 80,3% der Stimmen wiedergewählt. Natürlich erhob die Opposition einen bekannten Einwand - richtig! WAHLBETRUG!

Burkina Faso ist ein Land mit bewegter Vergangenheit. 1966 wurde der sechs Jahre zuvor nach der Unabhängigkeit an die Macht gekommene pro-französische Autokrat Maurice Yaméogo, der das Land als Einparteienstaat führte, wegen seiner ruinösen Staatsführung durch einen Generalstreik und Massenproteste abgesetzt. Die Demonstranten setzten den populären Stabschef General Sangoulé Lamizana als Staatschef ein, der das Land 14 Jahre einem gemäßigtem Militärregime mit mehreren Parteien und gewählten Regierungschefs unterwarf. Ab und zu entließ er den Premier und führte selbst die Regierung für kurze Zeit. Nach dem er sich 1978 bei demokratischen Wahlen im Amt bestätigen ließ, wurde er zwei Jahre später durch einen unblutigen Militärputsch von Oberst Saye Zerbo gestürzt. Dessen Regime wurde 1982 durch einen weiteren Putsch unter Jean Baptiste Ouedraogo beseitigt, dessen Regierung 1983 dem Putsch von Thomas Sankara und dem jetzigen Präsidenten Compaoré zum Opfer fiel.
Abenteurer, Revolutionär, Staatsmann, Visionär. Das sind einige der Bezeichnungen, mit denen man den 33-jährigen Luftwaffenoffizier Capt. Thomas Sankara politisch einordnen kann. In den folgenden Jahren seiner kurzen Regierungszeit avancierte er zum Hoffnungsträger und Idol der afrikanischen Jugend. Sankara versuchte „einen Sozialismus ohne Marx und Engels“, angepaßt an afrikanische Verhältnisse, zu verwirklichen. Das Programm seiner Militärregierung konnte sich sehen lassen!
1984: Massenimpfung von 2,5 Mio. Kindern binnen15 Tagen.
1985: Programm zur Pflanzung von 10 Mio. Bäumen um das Ausbreiten der Wüste zu verhindern.
1987: Kampagne zur Alphabetisierung. Sankara, der auch als „Che Guevara Afrikas“ bezeichnet wird, machte das unbedeutende Land, daß damals noch Obervolta hieß, schlagartig bekannt in der Welt. Die habgierigen Dorfchiefs wurden entmachtet, Tributpflicht und Kopfsteuer abgeschafft, korrupte Staatsbeamte wurden zu Enthaltsamkeit und Ehrlichkeit verpflichtet und zweimal in der Woche zu Leibesübungen! Sankara ließ die Luxuslimousinen der Minister durch einfache Renault 5 ersetzen, der Präsident steuerte seinen Renault persönlich durch die Hauptstadt. Kurzum, beim einfachen Volk war dieser unkonventionelle Draufgänger, der das Land in Burkina Faso (= „Land der aufrichtigen Menschen“) umbenannte, überaus beliebt, während er sich unter der alten Elite viele Feinde machte.
Doch bereits 1987 wurde Sankara vom heutigen Präsidenten Blaise Compaoré, nach ihm die Nummer Zwei im regierenden „Rat der Nationalen Revolution“ (CNR), gestürzt und mit ca. 100 seiner Anhänger ermordet. Von „abenteuerlicher Staatsführung“ Sankaras war die Rede in der Erklärung der Putschisten, doch vom Stigma des Präsidentenmordes konnte sich Compaoré nie lösen. Anders als Sankara verfolgte er eine orthodox-marxistische Linie, wandelte sich aber ab 1991 zum Befürworter eines Mehrparteiensystems. Seitdem hat sich Burkina Faso stabil entwickelt, es gibt eine starke Zivilgesellschaft und Gewerkschaften.

Die politische Opposition ist allerdings zersplittert und hat bisher keine Chance den Präsidenten abzulösen. Allein im Parlament sitzen mindestens 2 Parteien, die sich als Gralshüter von Sankaras Idealen verstehen. Von den 14 Parlamentsparteien sind 10 an Compaorés Regierung beteiligt, obwohl sein Kongreß für die Demokratie und den Fortschritt (CDP) auch allein eine knappe Regierungsmehrheit besitzt. Dies zeigt, daß die Versorgung der eigenen Mitglieder für viele Parteipolitiker leider mit im Vordergrund steht. Vor der Wahl im November schrieben viele internationale Zeitungen, daß eine Ablösung Compaorés möglich wäre, wenn sich die Opposition auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt hätte. Allerdings traten dann am 13.11.2005 sage und schreibe 11 Gegenkandidaten an, von denen Bénéwendé Stanislaus Sankara von der Union für Renaissance/ Sankristische Bewegung (UNIR/MS) – übrigens ein Verwandter des staatlich geächteten, aber immer noch politisch prägenden Ex-Präsidenten – mit 4,94% das beste Ergebnis einfuhr.
Die Vorwürfe des Wahlbetruges sind vorerst schwer nachzuprüfen, aber in die Trickkiste hat der Präsident dennoch massiv gegriffen. Die Verfassung erlaubt dem Präsidenten nämlich nur zwei 7-jährige Amtszeiten. Diese wären 2005 beendet gewesen. Durch eine Verfassungsänderung, die dem Präsidenten nur noch maximal zwei 5-jährige Amtsperioden zugesteht, ermöglichte Compaoré sich weitere Jahre auf dem Präsidentenstuhl. Denn nach Meinung seiner Anhänger gilt die neue Verfassung nicht für die vergangen Amtsjahre des Präsidenten, was die Opposition bestreitet.

Burkina Faso ist heute ein Musterschüler von IWF und Weltbank, zum dritten Mal in Folge wurde demokratisch ein Parlament gewählt. Compaoré genießt derzeit das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung und ihm kommt das Verdienst zu, das Land stabilisiert zu haben, auch wenn viele der populären Regierungskampagnen (wie die gegen Überweidung oder die Beschneidung der Frauen), schon in der Ära Sankara ersonnen wurden.

Kay Hanisch