Kérékou geht in Rente

Das "Chamäleon" tritt ab

18.3.2006. Bevor Mathieu Kérékou 1972 die Macht übernahm, stand das Land am Rand der sprichwörtlichen Unregierbarkeit. Schon vor der Unabhängigkeit bildeten sich um die drei führenden Politiker Hubert Maga, Sourou Migan Apithy und Justin Ahomadegbé drei Parteien, die sich hauptsächlich an den Regionalinteressen einzelner Stämme orientierten.
Erster Staatspräsident Dahomeys wurde 1960 Hubert Maga, der bereits drei Jahre später vom Militär unter Oberst Cristophe Soglo gestürzt wurde, da er sich mit Vizepräsident Apithy einen Machtkampf geliefert hatte. Soglo setze eine Regierung ein, der alle drei rivalisierenden Politiker angehörten, übernahm aber nach deren Scheitern 1965-67 selbst die Regierung. Auf Soglo folgte der Putschist Émile Zinsou (1968-69), der dem Putsch von Maurice Kouandéte (1969-70) zum Opfer fiel. Nach den Wahlen 1970 übernahm ein „Dreierrat“ mit Maga, Apithy und Ahomadegbé die Macht.

Erst der Militärputsch von Mathieu Kérékou konnte den Teufelskreis aus Chaos, Parteiengezänk und Rivalitäten beenden und das Land stabilisieren. Kérékou errichtete eine Linksdiktatur, verfügte über die Auflösung aller politischen und gesellschaftlichen Organisationen und über die Verstaatlichung von Banken und Schlüsselindustrien. Das Land wurde von Dahomey in Volksrepublik Benin umbenannt. 1974 erhob der Präsident den Marxismus-Leninismus zur politischen Leitlinie, doch dies diente nur als Fassade, um an Hilfe aus dem Ostblock zu gelangen. Die Privatwirtschaft blieb faktisch unangetastet und ein gewisser Schlendrian prägte die Formel vom „Laxismus-Beninismus“.
1975 gründete Kérékou die Partei der Volksrevolution von Benin (PRPB). Die Einheitspartei PRPB war aber nur eine Kaderorganisation mit höchstens 2.000 Mitgliedern. Zwei Jahre später gelang es Kérékou, einen von Frankreich, Togo und Gabun unterstützten Putschversuch des legendären Söldnerführers Bob Denard zu vereiteln.

Doch ab Mitte der 80iger Jahre erkannte auch die Regierung Kérékou, daß das Land wirtschaftlich am Boden war und beugte sich dem Diktat des IWF und führte harte Sparmaßnahmen durch. Aus dem Laxisten-Beninisten Kérékou wurde ein – wie man heute sagt - „Neoliberaler“. Die zweite Wandlung folgte: Auf Druck der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, die Benin großzügig mit Entwicklungshilfe bedachte, leitete Kérékou eine kontrollierte Demokratisierung ein. Benin wurde zum Versuchskaninchen. An der Einberufung einer „Nationalen Konferenz“ nahmen unter Leitung des katholischen Erzbischofs De Souza mehr als 70 politische Gruppen, Minister, zurückgekehrte Exilanten, aus dem Gefängnis freigelassene Oppositionelle, Voodoo-Priester und frühere Präsidenten teil. Die ca. 500 Teilnehmer erklärten sich zur „souveränen“ verfassungsgebenden Versammlung, reduzierten die Vollmachten des Präsidenten auf repräsentative Aufgaben und die Medien legten eigenmächtig ihren Maulkorb ab. Kurzzeitig schwirrten Putschgerüchte des alten Regimes im Land umher, aber angesichts des aufmüpfigen Volkes, stellte sich Kérékou einer Demokratisierung nicht in den Weg. Aus dem Diktator war ein Demokrat geworden.
Benin hatte Vorbildcharakter: In zahlreichen ehemaligen französischen Kolonien, wie z.B. in Niger, Elfenbeinküste oder Gabun leiteten „Nationale Konferenzen“ eine Wende zur Demokratie ein.

Im Jahr 1991 fanden freie Wahlen statt. Mathieu Kérékou unterlag dem Kandiaten der Demokratisierungsbewegung, Nicéphore Soglo, der von der Nationalen Konferenz als Übergangspremier eingesetzt worden war. Soglo, ein Neffe und früherer Wirtschaftsminister von Militärherrscher Cristophe Soglo, der später für die Weltbank und die afrikanische Entwicklungsbank gearbeitet hatte, hielt sich zur Steigerung der Wirtschaftsleistung Benins strikt an die Auflagen von IWF und Weltbank. Seine rigorosen Sparmaßnahmen führten aber zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und zur weiteren Verarmung der Landbevölkerung, während sein selbstherrlicher Regierungsstil Zweifel an seiner demokratischen Gesinnung aufkommen ließ. So war es nicht verwunderlich, daß er bei den Präsidentschaftswahlen 1996 von Mathieu Kérékou, der in diesem Wahlkampf unter dem passenden Symbol des Chamäleons antrat, geschlagen wurde. Der parteilose Kérékou hatte inzwischen eine weitere Wandlung durchgemacht: Aus dem Marxisten war ein Moslem geworden, der vor Beginn des Wahlkampfs zum Katholizismus konvertierte.

Im Jahre 2001 konnte das Chamäleon Kérékou, der vom Parteienbündnis „Mouvance Présidentielle“ unterstützt wurde, wieder eine Präsidentschaftswahl für sich entscheiden. 2006 ist ihm ein Wahlantritt nicht mehr gestattet, da ein Präsident nach der Verfassung nicht älter als 70 Jahre sein darf. Im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Staatsoberhäuptern (wie zum Beispiel Ugandas Präsident Yoweri Museveni) hatte der 72-jährige Kérékou darauf verzichtet, die Verfassung zu ändern, um länger an der Macht bleiben zu können. Sein Hauptkonkurrent Nicéphore Soglo war inzwischen verstorben, doch zwei Söhne des Ex-Präsidenten gingen als Außenseiter unter den 26 Kandiadten am 5. März in das Rennen um die Präsidentschaft: Galiou Soglo als Unabhängiger und Lehady Soglo als Kandidat der Partei „Benins Wiedergeburt“ (RB). Weit mehr Chancen wurden dem ehemaligen Premier und Parlamentschef Adrien Houngbédji, der Vorsitzender der regierungstreuen Partei der Demokratischen Erneuerung (PRD) ist und dem parteilosen Ex-Präsidenten der Afrikanischen Entwicklungsbank, Yayi Boni eingeräumt. Neben den beiden trat der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei PSD, Bruno Amoussou als aussichtsreicher Kandidat an. Amoussou war trotz geringer Stimmenzahl 2001 gegen Kérékou in die Stichwahl „geraten“, da alle anderen Bewerber ihre Kandidatur wegen angeblicher Wahlmanipulation zurückgezogen hatten.
Nach der Stimmenauszählung der Wahl vom 5. März hatte Yayi Boni mit 31,95% die meisten Stimmen erhalten, gefolgt von Adrien Houngbédji mit 25,21% und dem Sozialdemokraten Amoussou (19,03%).
Der scheidende Präsident hatte keine Wahlempfehlung abgegeben. Nach dem ersten Wahlgang äußerte er Kritik an der mangelnden Transparenz. Kérékou zufolge hätten Minderjährige und Ausländer mit gefälschten Papieren an der Wahl teilnehmen können.
Da keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erringen konnte, geht es in wenigen Tagen in die Stichwahl. Die Liberale Stimme wird das Endergebnis dann bekannt geben.



Kay Hanisch