Fragwürdige Kritik an Ungarn

Neoliberale attackieren Viktor Orban

Warum die Kritik an Ungarns neuem Mediengesetz scheinheilig ist und was wirklich dahintersteckt

30.1.2011.
Seit einigen Wochen lesen wir in unseren Zeitungen und hören und sehen in Radio und TV, daß in Ungarn, einem EU-Land, demnächst die Pressefreiheit abgeschafft wird. Dort hatte im letzten Jahr der Bund Junger Demokraten (FIDESZ) unter seinem Gründer Viktor Orban gemeinsam mit seiner „Satellitenpartei“ KDPN, einer christlich-konservativen Kleinpartei, die Wahlen mit einer 2/3-Mehrheit gewonnen. FIDESZ wurde bereits in den letzten Wochen des Sozialismus 1989 gegründet und war zunächst eine liberale bürgerliche Partei, die Kontakt zur deutschen FDP hielt. Bereits während seiner ersten Regierungszeit 1998-2002 entwickelte sich Viktor Orban zum Konservativen, ohne aber die neoliberale Linie zu verlassen. In der Folgezeit trat FIDESZ im Europaparlament der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch die CDU angehört, bei.
In den Jahren der Opposition 2002-2010 entwickelte FIDESZ immer stärker nationalkonservative Positionen. Dies äußerte sich auch in aggressiver Rhetorik gegen die damalige links-nationale Koalition in der Slowakei.
Da Ungarn von der Wirtschaftskrise stark angeschlagen war, mußte Viktor Orban nach seinem erneuten Wahlsieg 2010 Maßnahmen zur Konsolidierung des Staates treffen. Allerdings weigerte er sich, dies nur mit einseitigen Maßnahmen zu tun, welche ausschließlich die Bevölkerung zur Kasse bitten, sondern forderte eine zeitlich begrenzte „Krisensteuer“ von ausländischen Konzernen zur Kompensierung.
Mittlerweile ist das öffentliche mediale Aufjaulen deutscher Supermarktketten und Großkonzerne, welche in Ungarn tätig sind, wieder in Vergessenheit geraten, obwohl es erst wenige Wochen her ist. Dies dürfte der eigentliche Grund für die Hetzkampagne gegen Ungarns Premier Viktor Orban sein. Und das hat ja auch Methode, wenn man sich an die Slowakei erinnert: dort regierte nämlich von 2006-2010 der Sozialdemokrat Robert Fico in Koalition mit einer kleinen linksnationalen und einer kleinen rechtsnationalen Partei. Diese bunte Koalition stoppte die Privatisierung öffentlichen Eigentums (darunter der Flughafen von Bratislava), holte die slowakischen Truppen umgehend aus dem Irak zurück und machte die Privatisierung der Rentenversicherung teilweise wieder rückgängig. Gegen diese Koalition erhob sich europaweit ein mediales Trommelfeuer, die slowakischen Sozialdemokraten wurden – unter reger Beteiligung des EU-Abgeordneten und SPD-Westentaschendemagogen Martin Schulz – aus dem Fraktionsbündnis der europäischen Sozialdemokraten ausgeschlossen. Als offizieller Vorwand diente die Regierungsbeteiligung der kleinen rechtsnationalen Slowakischen Nationalpartei (SNS).
Zu guter Letzt gewann Robert Ficos sozialdemokratische Partei Smer trotz Wirtschaftskrise die Wahl und legte sogar um 6% zu, konnte aber nicht mehr regieren, da aufgrund der Intervention von Adenauer- und Friedrich-Naumann-Stiftung ein wackeliges Bündnis der abgehalfterten Oppositionsparteien zu Stande kam. Diesen Parteien nahmen die deutschen Stiftungen das Versprechen ab, in KEINEM FALL mit Fico zu koalieren. Der Sieger mußte in die Opposition.



Zurück nach Ungarn. Dort – wo Pressefreiheit wesentlich laxer gehandhabt wird, als in Deutschland und oftmals die Journalisten mit unfeinen Adjektiven Politiker charakterisieren – hatte die Regierung Orban ein neues Mediengesetz und eine Medienkontrollbehörde geschaffen, welches „informative Mediendienstleister“ unter anderem zu „vielseitiger, sachgerechter, zeitnaher, objektiver und ausgewogener“ Berichterstattung verpflichtet. Die Inhalte dürfen jedoch nicht „Personen, Nationen, Gemeinschaften, nationale, ethnische, sprachliche und andere Minderheiten oder irgendeine Mehrheit sowie eine Kirche oder religiöse Gruppierung offen oder verdeckt beleidigen oder ausgrenzen“.

Klingt eigentlich ganz vernünftig. Das Problem ist nur, daß FIDESZ eine 2/3-Mehrheit im Parlament besitzt und damit nach Gutdünken die Besetzung der neuen Behörde zu seinen Gunsten vornehmen kann.

Doch ist es in Deutschland anders? Sind die Sitze der Rundfunkräte nicht auch zwischen CDU und SPD aufgeteilt? Gut, das sind immerhin zwei Parteien.

Machen mehrere Parteien ein Land gleich zu einer Demokratie? In der DDR gab es auch fünf Parteien...

Die Kritik an Orban wird von seinen politischen Gegnern, den abgewählten, neoliberalen „Sozialisten“ und den aus dem Parlament geflogenen bürgerlichen Parteien MDF (Konservative) und SZDSZ (Liberale) sowie den diese Gruppierungen unterstützenden Medien angefacht. Ihre Schwesterparteien aus den anderen EU-Staaten übernahmen diese Kritik offenbar ohne eine Überprüfung des Mediengesetzes vorzunehmen. Die europäische Orban-Schelte fing schon an, da gab es noch nicht einmal eine Übersetzung des Gesetzes. Erstaunlich also, wieviel ausländische Journalisten des Ungarischen offenbar mächtig sind...

Die wahren Gründe für die Anfeindungen liegen also nicht in der Medienpolitik Orbans, denn gegen Berlusconi gibt es ja auch nur verhaltene Kritik, sondern in seinen Versuchen, ausländische Konzerne zur Kasse zu bitten.

Man sollte die Regierung Orban an ihren Taten und nicht an der Polemik der Opposition messen. Diese Regierung zeigt einen besorgniserregenden Trend zum rechtsnationalen Gedankengut, bedenkt man, wie sie die Slowakei wegen deren Umgang mit der ungarischen Minderheit unter Druck setzte.

Dennoch heißt es abwarten. Unabhängige ungarische Medienvertreter wie Jan Maika, Chefredakteur und Herausgeber der „Budapester Zeitung“ meinen, der Westen solle seine Kritik „versachlichen“ und nicht „die Faschismuskeule schwingen“. Die Kritiker Orbans im Parlament wie die wirklich neofaschistische Partei Jobbik oder die abgewählten „Sozialisten“ sind noch lange keine Demokraten. Einzige Ausnahme ist die neu ins Parlament gewählte, grüne und leicht europakritische Partei „Politik kann anders sein!“ (LMP).

Ein etwas ungebildeter Europa-Abgeordneter verglich Viktor Orban bei dessen Eröffnung von Ungarns EU-Ratspräsidentschaft im Europaparlament mit Hugo Chavez. Es war wohl als Beleidigung gemeint, ist aber eigentlich ein Kompliment: der venezuelanische Präsident hat sein Land demokratisiert, die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung verbessert und die Armut drastisch reduziert.





Kay Hanisch